Schaudepot Domgrabung

2015 übergab die Stadt Köln der Hohen Domkirche Räumlichkeiten im Osten des Domchores („Trankgasse" und „Am Domhof"), die im Rahmen der Umgestaltung der Domumgebung entstanden waren. Neben einem neuen Vorraum zum Baptisterium handelt es sich um mehrere Depoträume für die Dombauhütte, in denen Steine, ausgebaute Originale, neue noch nicht versetzte Werkstücke sowie archäologische Funde aufbewahrt werden können. Zwei der Depoträume sind als Schaudepots angelegt und über Schaufenster von außen zu besichtigen. Hier werden mit wechselnden Exponaten zwei kleine Ausstellungen zur Domgrabung sowie zur Dombauhütte präsentiert.

Fränkisches Knabengrab

Das Grab des Knaben gehört zu einer größeren fränkischen Grablege, die unter der Osthälfte des heutigen Domes aufgedeckt wurde. Die Mehrzahl der aus Steinplatten zusammengesetzten Grabkammern war bereits vor langer Zeit geöffnet und ausgeleert worden, doch zwei Bestattungen hatten die Jahrhunderte ungestört und mit vollständigem, überaus reichem Inventar überstanden. Die Qualität dieser Objekte weist auf Angehörige des fränkischen Hochadels hin, wahrscheinlich auf die Königsfamilie. Eine junge Frau, offenbar die historisch überlieferte Königin Wisigarde, sowie der namentlich nicht bekannte Junge, waren hier um das Jahr 540 n. Chr. beigesetzt und der Sitte der Zeit entsprechend mit umfangreicher Tracht und persönlichem Besitz ausgestattet worden. Das Inventar dieser Kölner Fürstengräber zählt zu den kostbarsten Grabfunden aus fränkischer Zeit und ist heute in der Schatzkammer des Domes ausgestellt.

Rekonstruktion des Bettes aus dem Knabengrab, Ausführung Norbert Klewinghaus.

Neben der kunsthistorisch-antiquarischen Bedeutung der Funde ist auch die Lage der Gräber bemerkenswert. Sie waren innerhalb der Stadtmauer angelegt worden und damit auf einem Areal, das eigentlich seit der römischen Zeit nicht für Begräbnisse genutzt werden durfte. Daher befanden sich die Friedhöfe außerhalb der Mauern. Eine Ausnahme von dieser Regel war lediglich im Umfeld von Kirchen gegeben. Demnach weist die Anlage der fränkischen Gräber auf eine bereits bestehende Kirche hin und bildet, gemeinsam mit dem nahebei gefundenen Baptisterium, der Taufkirche, den ältesten diesbezüglichen Nachweis für das Domgelände.

Bergung

Auf der Fotografie aus der Zeit der Freilegung sieht man das Fußende des zuerst aufgedeckten Frauengrabes im Vordergrund. Es grenzt unmittelbar an das Kopfende des noch verschlossenen Knabengrabes, das erst zu einem kleinen Teil aus dem Erdreich herausragt. Dort konnten die Ausgräber über die an der rechten Ecke geborstene Abdeckplatte nun erstmals nach rund eineinhalb Jahrtausenden einen Blick in die Grabkammer werfen. In der Fülle der Beigaben sahen sie auch hölzerne Strukturen, offenbar Möbel, von denen Teile noch aufrecht standen. Allerdings beschleunigte die jetzt einströmende Luft den fortschreitenden Verfall insbesondere des hölzernen Grabinhaltes. Da nun rasches Handeln notwendig war, wurde die Untersuchung und Bergung des Inventars von dieser Schmalseite her vorgenommen, während das Grab erst später von der abdeckenden Erde befreit wurde. Die Abdeckplatten sind deswegen niemals gehoben worden und liegen heute noch an Ort und Stelle. Dank der beherzten und sorgfältigen Bergung konnten die Holzmöbel in bemerkenswertem Zustand dokumentiert werden. So war es möglich, anhand der beobachteten Maße und Verzierungen, die hier ausgestellten detailgetreuen Nachbauten des Bettchens und des Stuhles anzufertigen. Sie entsprechen den Originalen nicht nur in Aussehen und Größe, sondern folgen dem archäologischen Befund auch hinsichtlich der verwendeten Materialien und Fertigungstechniken.

Der bereits im Alter von etwa sechs Jahren verstorbene kleine Junge war anscheinend in seinem eigenen Kinderbett aufgebahrt und bestattet worden. Abgesehen von der kunstvollen Ausführung zeigen sich deutliche Ähnlichkeiten mit vergleichbaren heutigen Möbelstücken.

Der untere Bettkasten ist aus Eichenholz gefertigt. Er war unmittelbar auf dem Boden der Grabkammer abgestellt, ist aber möglicherweise unvollständig in das Grab gelangt. Vielleicht hatte man einen darunter anzunehmenden Teil mit den Beinen des Möbelstückes einfach weggelassen, damit es besser in die niedrige Kammer hineinpasste. Die Bettpfosten und Aufbauten hingegen waren für die Bestattung unverändert belassen und auf je einer Lang- und Schmalseite der Liegefläche unterschiedlich hoch. Diese Teile sind kunstvoll verziert und aus Pflaumenholz gedrechselt. Die umlaufenden horizontalen Rundhölzer werden von sanduhrförmigen Docken getragen, die nach dem Drechseln halbiert wurden. Spuren an den nach innen gewandten Schnittflächen lassen auf eine Stoffbespannung schließen, mit der die Innenseite des Bettchens ausgekleidet war.

Der Stuhl ist ebenfalls aus Pflaumenholz gefertigt und die Sitzfläche mit Rindsleder bespannt. Er ähnelt in seinen Verzierungen denjenigen des Bettchens, ohne jedoch mit diesen übereinzustimmen. Dies wird insbesondere bei den sanduhrförmigen Zierelementen deutlich, die wesentlich kleiner sind und nicht halbiert, sondern vollständig belassen in der Lehne verarbeitet wurden. Angesichts der hoch aufragenden Rückenlehne musste der Stuhl an die Höhe der Grabkammer angepasst werden, weshalb man die Stuhlbeine gekappt hat. Vermutlich waren sie ursprünglich zur Stabilisierung untereinander verstrebt, doch ist dies wegen der Kürzung nicht mehr festzustellen.

Originalgetreue Nachbildung des Stuhles aus dem Knabengrab, Ausführung Norbert Klewinghaus.

Mit der Rekonstruktion der Möbel gewinnt man nicht nur eine bessere Vorstellung dieser aus dem 6. Jahrhundert stammenden und doch heute noch geläufigen Alltagsgegenstände, sondern darüber hinaus konservieren sie auch einen Teil unseres Wissens über die Originale. Zudem hat die Fertigung selbst, gleichsam im Experiment, eine Vielzahl neuer Informationen geliefert. Die Vorbereitung und praktische Ausführung der Rekonstruktionen erfolgte im Jahr 1994 durch Norbert Klewinghaus, den Schreinermeister der Kölner Dombauhütte.

Säulenbasis aus dem Alten Dom

Die ausgestellte römische Säulenbasis gehört, ebenso wie ein noch an seinem Originalplatz im Grabungsgelände unter dem Dom verbliebener Säulenfuß, zu den Seitenschiffarkaden des Alten Domes. Weitere Säulenfragmente sind in den gotischen Fundamenten verbaut worden, doch haben sich an keinem dieser Stücke mehr als rudimentäre Spuren der einst farbigen Gestaltung erhalten. In diesem für die Raumwirkung so wichtigen Aspekt bietet ein Blick auf die Buchmalerei daher eine wunderbare Ergänzung des archäologischen Befundes.

Wiederverwendete römische Säulenbasis aus dem Alten Dom.

Darüber hinaus zeigen diese Säulen die Bedeutung des archäologischen Zusammenhanges auf, da es sich eigentlich um ältere, teils noch römische Stücke handelt. Sie sind in den Seitenschiffarkaden des Alten Domes als Spolien erneut genutzt worden. Diese sekundäre Verwendung wäre jedoch ohne genaue Kenntnis der Fundlage nicht zu erschließen. Dabei ist die Wiederverwendung ursprünglich römischer beziehungsweise spätantiker Architekturteile in einem Gebäude wie dem Alten Dom nicht ungewöhnlich und sollte offenbar als Ausdruck von Beständigkeit die lange Tradition des Bauwerks wie auch der dahinterstehenden Institution unterstreichen.

Säulenbasis und Teil eines Säulenschaftes des Alten Domes in der archäologischen Grabung des Domes.

Der Alte Dom

Der Alte Dom hat als unmittelbarer Vorgängerbau der heutigen Kathedrale umfangreiche Spuren hinterlassen, deren Erforschung im Fokus der 1946 beginnenden Ausgrabungen stand. Anhand der erhaltenen Fundamente ist sein Grundriss in weiten Teilen zu erschließen und obschon es sich freilich nur um ein Rudiment des einst prachtvollen Bauwerkes handelt, bilden die aufgedeckten Mauern doch die Grundlage für eine umfassende Rekonstruktion dieser ehemaligen Kölner Bischofskirche. Besonders prägnant ist der halbrunde Verlauf der imposanten Westapsis, die mit rund 12 Metern Durchmesser unter dem Fußboden des gotischen Domes gefunden wurde und dort nahezu die gesamte Breite des Mittelschiffs einnimmt. An ihrer Nordseite zeichnet sich zudem im oberen Bereich des Bildes, das Fundament eines runden Chorflankenturmes ab. Es ist unter einem Pfeiler der heutigen Kathedrale erhalten geblieben, während sein südliches Pendant beim gotischen Neubau zerstört wurde, als symmetrische Ergänzung jedoch problemlos zu rekonstruieren ist.

Fußbodenplatten des Alten Domes

Vom Fußbodenbelag des Alten Domes haben sich nur geringe Reste erhalten. Offenbar waren die verwendeten Materialien so kostbar, dass sie bei Abriss der Kirche herausgebrochen wurden, um sie anderweitig wiederzuverwenden. Diese Form des Recyclings war durchaus geläufig und ist zu allen Zeiten praktiziert worden. Während die Bodenplatten nahezu vollständig verschwunden sind, blieben aber ihre Abdrücke erhalten. Daher sind die verschiedenen Muster des Bodenbelages noch heute nachvollziehbar und können in Teilen rekonstruiert werden. Besonders aufwändig waren die Bereiche vor den Apsiden gestaltet, die als Standort der Hauptaltäre überliefert sind. Dazwischen hat ein läuferartiger Streifen die Längsachse des Gebäudes hervorgehoben, dessen Mitte zudem durch eine große quadratisch gefasste Rosette gekennzeichnet war.

Rekonstruktionszeichnung zu einem Teilbereich des Fußbodens im Mittelschiff des Alten Domes, Ruth Stinnesbeck (Entwurf und Ausführung).

Der Rosette können aufgrund der Kreisform einige Plattenfragmente eindeutig zugeordnet werden, so auch die hier ausgestellten. Der ringförmige Stein aus weißem Marmor wird als ihr zentraler Punkt angesehen. Er wurde von einer zwölfblättrigen Blume umschlossen, welcher das Dreieckplättchen aus Aachener Blaustein zugehört. Unmittelbar östlich davon ist im Jahre 976 Erzbischof Gero bestattet worden, dessen Grab später in den gotischen Domchor überführt wurde. Dort ist seine Grabplatte aus rotem und grünem Porphyr sowie weißem Marmor bis heute zu sehen. Sie lag bereits im Fußboden des Alten Domes und vermittelt einen Eindruck von dessen prachtvoller Gestaltung, den kostbaren Materialien und nicht zuletzt ihrer Farbigkeit, deren Übereinstimmung mit der Fußbodendarstellung im Hillinus-Codex bemerkenswert ist.

Hilinus-Codex

Der markante Mauerverlauf der von zwei Türmen flankierten Apsis des Alten Domes ist in einer zeitgenössischen Darstellung des Alten Domes eindeutig zu erkennen und als Westende der Kirche auf der linken Seite der Abbildung wiedergegeben. Mit dieser Architekturdarstellung überliefert der aus dem frühen 11. Jahrhundert stammende Hillinus-Codex in seinem Widmungsbild eine Außenansicht der damaligen Kölner Bischofskirche, die in allen überprüfbaten Details mit dem archäologischen Befund übereinstimmt. 

Die im Vordergrund dargestellte Szene, in welcher der Stifter Hillinus die fertige Handschrift an Petrus übergibt, gewährt zudem einen Blick in den Innenraum des Alten Domes. Überreste der Säulenstellung sowie des aufwändig gestalteten Fußbodens sind in der Domgrabung freigelegt worden, doch vermittelt die Buchmalerei zudem eine Vorstellung der einstigen Farbenpracht, die sich anhand der Originale heute kaum mehr erschließt. Der Fußboden ist in der Abbildung mit roten, grünen und gelben Platten belegt, die in Quadraten und Dreiecken zugeschnitten sind und erinnert damit stark an die Gestaltung der Grabplatte Erzbischof Geros.

Widmungsblatt des Hilinus-Codex, 1. Drittel 11. Jahrhundert.

Wandmalerei des Alten Domes

Von der einst prachtvollen Ausstattung des Alten Domes zeugen auch weit über 5000 Putz- und Malereifragmente, die unmittelbar östlich des damaligen Kirchenbaus geborgen wurden. Dieses ursprünglich mehrere Meter tiefer gelegene Gelände hatte man für den Neubau der 1057 geweihten Kirche St. Maria ad Gradus erhöht und dabei auch Schutt abgelagert, der bei einer Umbau- und Erweiterungsmaßnahme der Bischofskirche angefallen war. Die von den Wandflächen abgeschlagenen Putzbrocken tragen Reste polychromer Wandmalereien, zu denen neben vielfältigem ornamentalem Dekor auch Fragmente einer karolingischen Inschrift und figürliche Darstellungen gehören. Die Motivauswahl und die qualitativ hochwertige Ausführung sowie typologische Vergleiche gestatten es, die Wandmalereien einer frühen, wenn nicht gar der ursprünglichen Ausstattung des um 800 errichteten Alten Domes zuzuweisen.

Wandputz mit Malereiresten

Einen besonderen Stellenwert nimmt ein aus mehreren Stücken zusammengesetztes Malereifragment mit Teilen einer figürlichen Darstellung ein. Die Steinlagen des noch in Resten anhaftenden Mauerwerks geben die Ausrichtung des Bildausschnittes vor und erleichtern damit auch die Deutung des Motivs. So sind, trotz der rudimentären Erhaltung, Kopf und Schulterpartie eines liegenden, unbekleideten Menschen zu erkennen. Die Kontur des langen, durch helle Strähnen akzentuierten Haares zeigt sich als geschwungene Linie, die vom Kopf auf der linken Seite über Schulter und Oberarm nach rechts ausläuft und dazwischen, oberhalb der Halspartie, in einer Kuhle einsinkt. Darunter ist das Kinn erhalten und rechts davon das Schlüsselbein sowie, unterhalb des Armes, Brust und Rippenbogen. Eine weitere Figur ist im Hintergrund, anhand des Faltenwurfs ihres Gewandes auszumachen, dem auch die gepunktete Borte auf der linken Seite zugehört.

Die charakteristische Anordnung einer unbekleideten liegenden Person, begleitet durch eine Gewandfigur, ist aus Motiven zeitgenössischer karolingischer Buchmalerei bekannt, überliefert durch Miniaturen der Grandval- sowie der Vivian-Bibel. Als Teil einer szenischen Erzählung, sind dort in mehreren Bilderzeilen Schlüsselereignisse des Buches Genesis dargestellt. Die Erschaffung Adams, dessen Figur nackt am Boden liegend wiedergegeben ist, während Gottvater in üppige Gewänder gehüllt hinter ihm steht, findet in der Wandmalerei aus dem Alten Dom eine deutliche Entsprechung.

Hinzu kommen etliche weitere Malereifragmente, die in Farbgebung, Stil und Technologie mit dieser Figurengruppe übereinstimmen und offenbar anderen Teilen des Gesamtbildes entstammen.

Gotisches Wimpergelement

Der Wimperg stammt vom gotischen Dom und gehört zu einer Serie gleichartiger Maßwerkelemente, die in rund 40 Metern Höhe die Strebepfeiler des Südturmes zieren. Als Teil des mittelalterlichen Baubestandes waren sie dort über Jahrhunderte der Witterung ausgesetzt und hatten angesichts der filigranen Strukturen erheblichen Schaden genommen. Einige Stücke wurden daher während des 19. Jahrhunderts abgenommen und durch Kopien ersetzt. Damals nutzte man den zur Zeit der Domvollendung üblichen Sandstein, während das hier ausgestellte Wimpergfragment aus Trachyt besteht. Dieses vom Drachenfels, also aus dem Siebengebirge stammende Gestein ist während des gesamten Mittelalters für den Dombau in Köln verwendet worden. Im 19. Jahrhundert war ein weiterer Abbau am Drachenfels jedoch nicht mehr möglich, weshalb vorwiegend farblich recht nahestehender Sandstein verarbeitet wurde.

Gotischer Wimperg vom mittelalterlichen Südturm.

Unabhängig von der ähnlichen Farbgebung zeigt der Trachyt bei genauerer Betrachtung große plattig-kristalline Feldspat-Einsprenglinge, die sog. Sanidine. Anhand dieser charakteristischen Einschlüsse lässt sich der Trachyt eindeutig von dem homogenen Sandstein des 19. Jahrhunderts unterscheiden. Einhergehend mit der Differenzierung des Steinmaterials offenbart sich also der mittelalterliche Baubestand und setzt sich deutlich von späteren Ergänzungen ab.

Bauzeit des gotischen Domes

Der Bau der gotischen Kathedrale wurde im Jahr 1248 begonnen und erst nach 632 Jahren, 1880 vollendet. Gerade angesichts dieser enormen Bauzeit besticht der Kölner Dom durch seinen einheitlichen Entwurf, dem die vielen Jahrhunderte seiner Entstehung nur wenig anzuhaben vermochten, da man von der anfangs festgelegten Planung selbst im 19. Jahrhundert kaum abgewichen ist. Es war den mittelalterlichen Baumeistern gelungen, mit der Fertigstellung nahezu aller Fundamente und der größten Teile des Erdgeschosses den Grundriss und damit die Dimension der Kathedrale eindeutig festzulegen. Daneben ließ der bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts vollendete Chor keinen Zweifel an der weiteren architektonischen Ausführung, deren Planung zudem anhand einzelner originaler Zeichnungen überliefert ist. Von entscheidender Bedeutung war dabei der sog. Fassadenriss F, der mit einer detaillierten Ansicht der Westfassade aus der Frühzeit des Baugeschehens, die originalgetreue Vollendung des Domes ermöglichte.

Arnold Mercator, Stadtansicht von Köln (sog. Mercatorplan), 1570/71.

Der Mercatorplan von 1570/71 vermittelt einen guten Eindruck des mittelalterlichen Baubestandes, der von sporadischen Erhaltungsmaßnahmen abgesehen, bis zur Domvollendung des 19. Jahrhunderts Bestand haben sollte. Der Chor, bekrönt durch den hölzernen Dachreiter wirkt besonders schlank und hochaufragend, da die Verbreiterung des Querhauses noch fehlt. Auf einer weiteren Ansicht von Südosten erkennt man zudem den Südturm in nahezu gleicher Höhe sowie den verbindenden Teil des Langehauses, der zumindest die unteren 20 Meter abdeckt. In diesem Zustand ist der Dom auf zahlreichen Kölner Stadtansichten überliefert. Die tatsächliche mittelalterliche Baumasse wird so allerdings nur unzureichend wiedergegeben, da die Fundamente unsichtbar bleiben. Sie waren bis zur vorläufigen Einstellung des Baubetriebes, Anfang des 16. Jahrhunderts, nicht nur für das gesamte Gebäude nahezu vollständig angelegt, sondern überschreiten in ihrer Dimension bei weitem das für die Gewährleistung der Statik notwendige Maß. So ist die für die Gotik charakteristische Skelettbauweise in den ersten Jahrhunderten des Dombaus noch nicht in den Fundamentbereich übertragen worden. Vielmehr stehen die filigranen hochaufragenden Pfeiler auf überaus mächtigen Grundmauern, die oftmals größere Partien der oberirdischen Architektur zusammenfassen und teilweise mehr als 16 Meter in den Untergrund hinabführen. Allerdings gilt dies nicht einheitlich für alle Bereiche des Gebäudes. Wegen der enormen Größe des Bauprojektes ist der Dom abschnittsweise errichtet worden, das bedeutet, dass die Fundamentierungsarbeiten – obgleich mittelalterlich – durchaus mit teils großem Zeitabstand erfolgten. In der Zwischenzeit neu hinzugewonnene Erkenntnisse wurden selbstverständlich aufgegriffen und in den Bauprozess integriert, allerdings ohne offensichtlich in den architektonischen Entwurf einzugreifen. In den Fundamenten hatte man hingegen weitgehend freie Hand. Als verdeckter, aber im wahrsten Sinne des Wortes grundlegender Bauteil, zeigt ihre Ausführung und Größe den wachsenden Erfahrungshorizont der damaligen Dombauhütte und offenbart auf eindrucksvolle Weise die bemerkenswerte Leistung der mittelalterlichen Baumeister.

Brüstungselement von der Ostterasse des Domes

Die ausgestellten Brüstungselemente gehören zum Geländer der östlichen Domterrasse, die im Jahr 1867 angelegt worden ist. Damals waren die Vollendungsarbeiten der Kathedrale bereits weit gediehen und konzentrierten sich mit den im Bau befindlichen Türmen im Wesentlichen auf deren Westbereich. Daher konnte die Ostterrasse neugestaltet werden, ohne eine Beeinträchtigung durch die noch andauernden Arbeiten befürchten zu müssen. Die planerische Gestaltung oblag dem damaligen Dombaumeister Richard Voigtel. Sein Entwurf ist in einer Zeichnung von 1866 überliefert und nur leicht modifiziert zur Ausführung gekommen. Diese Entwurfsskizze macht nicht nur den baulichen Zusammenhang der aufgefundenen Architekturfragmente deutlich, sondern gestattet zudem ihre exakte Lokalisierung im oberen Bereich des südlichen Treppenaufganges. Dort ist der prägnante Eckpfosten mit den anschließenden Brüstungselementen als Teil der Terrassierungsbefestigung zweifelsfrei zu erkennen.

Brüstungselement der Domterrasse, um 1869.

Mit der Ausstellung im Schaudepot der Domgrabung wurden diese Stücke nahezu an ihren originalen Standort zurückgeführt. Hier erinnern sie an die ehemalige Gestaltung der Ostterrasse, deren große Freitreppe gemeinsam mit dem vorgelagerten Petrusbrunnen die Ansicht des Domchores abgerundet und das Bild der Kathedrale im 19. Jahrhundert mitgeprägt hat.

Ostterrasse des Domes

Der Bereich östlich des Domes ist von dem deutlichen Geländeabfall in Richtung Rhein beherrscht. Hier hat bis ins Jahr 1817 die romanische Stiftskirche St. Maria ad Gradus gestanden, deren Name, „Maria zu den Stufen“, dieser topographischen Situation geschuldet ist. Nach ihrem Abriss blieb der Platz weitgehend unbebaut, ist aber im Laufe der Zeit mehrfach grundlegend umgestaltet und verändert worden, zuletzt in einer 2013 begonnenen Maßnahme, auf welche die aktuelle Gestaltung zurückgeht. Im Rahmen der archäologisch begleiteten Aushubarbeiten sind dabei die Fragmente der steinernen Brüstung gefunden worden, die offenbar mit der Neuanlage der Domplatte Ende der 1960ger Jahre in den Schutt gelangt waren. Obwohl es sich nur um wenige Stücke handelt, war es doch möglich, diese exakt zuzuordnen und ihren architektonischen Zusammenhang zweifelsfrei zu rekonstruieren.

Richard Voigtel, Entwurf für die Ostterrasse des Kölner Domes.

Archäologische Funde

In der Archäologie begünstigt die Erforschung der jüngeren Vergangenheit im Allgemeinen eine Vielzahl zusätzlicher Informationsquellen, mit deren Hilfe die Aussagekraft des Fundmaterials wie im Fall des hier ausgestellten Brüstungselementes meist deutlich erweitert wird. Blickt man jedoch weiter durch die Jahrhunderte zurück, bleiben in der Regel nur die punktuellen Einblicke, die sich anhand der geborgenen Objekte und ihrer Einbindung in den archäologischen Zusammenhang ergeben. Dabei bemisst sich die Bedeutung archäologischer Funde nicht durch ihren materiellen Wert, sondern durch die genaue Kenntnis ihrer Auffindungsumstände. Sie ist die Grundlage für jedwede weitere Interpretation und gestattet es im besten Fall, die fragmentarischen Informationen zu einem umfassenden Bild zusammenzufügen.

Funde aus den Ausgrabungen unter dem Kölner Dom.

Bei den Ausgrabungen unter dem Dom sind seit 1946 eine Vielzahl von Bauresten freigelegt und rund 260.000 Einzelobjekte geborgen worden. Obwohl das Fundmaterial durchaus vielfältig ist, wird doch der größte Teil von Keramikscherben gebildet. Ihnen kommt in der Archäologie eine besondere Bedeutung zu, da Keramikgefäße in ihrer Herstellungstechnik, Materialzusammensetzung und insbesondere in ihrer äußeren Erscheinungsform einem stetigen, meist von der Mode beeinflussten Wandel unterworfen sind. Daher ist Keramik, selbst in fragmentiertem Zustand, ihre Herkunft und Entstehungszeit in aller Regel deutlich anzusehen. Da es sich nicht allein um Tischgeschirr handelt, sondern vielmehr um Verpackungs- und Transportbehältnisse, ist diese Fundgruppe nahezu überall präsent und zudem nicht recycelbar. Einmal zerbrochen werden die Scherben entsorgt, womit sie als Gebrauchsgegenstände in hoher Quantität und Fluktuation nicht nur einen exzellenten Alltagsspiegel darstellen, sondern zudem meist die Grundpfeiler der archäologischen Datierung bilden.

So formen oftmals unscheinbare Funde, wie die hier ausgestellten Keramikfragmente, den sprichwörtlichen Leitfaden, der es ermöglicht, aus einer Fülle schier unübersichtlicher Spuren eine Geschichte zu erschließen, die allein unter dem Fußboden des Domes den Blick auf eine 2000jährige Vergangenheit eröffnet hat.

Das Areal der Kölner Domgrabung sowie das Baptisterium können im Rahmen geführter Rundgänge besichtigt werden. Informationen dazu finden Sie unter: www.domfuehrungen-koeln.de

Text: Ruth Stinnesbeck